Die Veröffentlichung erfolgt mit freundlicher Zustimmung vom Sohn Uwe Lorenzen, Schleswig.
Januar 1900 – 1991
Meine Mutter!
geschrieben von ihrer Tochter
Annemarie Lorenzen, geb. Tamms
im Alter von 82 Jahren.
Meine Mutter Therese Tamms, geborene Riebling, wurde am 3.6.1871 in Wolfskrug bei Eckernförde als Tochter des Lehrers Heinrich Ludwig Riebling und Margarethe Riebling, geborene Blaas, geboren. Bis zu ihrem achten Lebensjahr wohnten sie in Hummelfeld. Dann zogen Sie nach Haddeby (Chausseehaus) bei Schleswig. Ihr Vater Heinrich Riebling wurde Zweitlehrer in Busdorf.
Therese hatte 10 Geschwister. Therese, Heinrich, Rosa, Johann und Alwine besuchten die Busdorfer Schule.
1884 wurde Heinrich konfirmiert und kam in die Schlachterlehre. Da er kein Blut sehen konnte und immer umkippte, musste er die Lehre wieder aufgeben. Er wollte gerne nach Amerika und so schrieb Heinrich an unseren Onkel Hans Röh und Marie Tante, geborene Blaas, um Hilfe. Diese hatten ihren Landbesitz in Lottorf bei Schleswig verkauft und waren 1883 nach Amerika ausgewandert. Sie hatten sich nahe der Stadt Sabula im Staate Iowa eine kleine Farm gekauft. Onkel Hans schickte uns zwei Schiffskarten. Da war die Freude groß. Nun wollte Therese unbedingt mit nach Amerika. Ihre Mutter sagte:
„Du grote Strühn kommst nicht mit.“ Therese setzte aber ihren Willen durch. Anfang März wurde Therese alleine konfirmiert. Sie war erst 13 Jahre alt. Der Pastor sagte: „Du kleines Mädchen willst über das große Wasser und wirst deine Eltern, Geschwister und Heimat womöglich nicht wiedersehen.“ Ja, das wollte Therese ja. Sie bekam noch ein ganz langes neues Kleid. Dann wurden ihre Sachen in einen großen Schlosskorb gepackt. In einem großen Schlosskorb wurden die Sachen für Heinrich und Therese gepackt. Und dann ging die Reise los.
Therese erzählt.
Unsere Reise nach Amerika.
Am 13. März 1885 wurden wir in Schleswig in den Zug gesetzt. In einem Wagen 4. Klasse für Reisende mit Traglasten. Zum ersten Mal sollten wir mit einem Zug fahren und dann in die Großstadt Hamburg. Wir wollten unsere Eltern und Geschwister auf unbekannte Zeit verlassen und hofften in Amerika unser Glück zu machen. Da saßen wir nun beide auf unseren Schlosskorb. Heinrich 16 Jahre und ich 13 Jahre alt. Als ich nun mal seufzte sagte Heinrich: „Du hast nun wohl schon Heimweh, steig man lieber wieder aus.“ In Hamburg angekommen, wurden wir von einem Hotelbesitzer abgeholt. Wir hatten gewisse Erkennungszeichen an uns. Er hatte die Verantwortung für uns übernommen. Wir schliefen im Hotel. Am anderen Morgen erwachten wir vom Getute der Schiffe und Fabriken. Wir staunten sehr über die große Stadt. Am 25. März brachte uns der Hotelbesitzer an das große Dampfschiff. Der Ozean-Dampfer hieß Galert oder Gelbert. Der Hotelbesitzer sorgte nun dafür, dass wir ziemlich gut untergebracht wurden. Denn wir hatten ja nur Zwischendeck. Ich wurde mit einigen Damen in der Mitte des Schiffes in einer Kammer untergebracht. Heinrich musste mit einigen Männern hinten bei der Schraube in einem großen Raum mit zweistöckigen Betten schlafen.
Dann fuhr der Dampfer ab. Die Sirenen tuteten und mit voller Musik und allerlei Gesängen, so wie „... denn es fällt mir so schwer aus der Heimat zu gehen ...“, fuhren wir, bis kein Land mehr zu sehen war. Da wurde uns doch ein bisschen wehleidig zu mute. Nun versuchte ein jeder sich alles so gemütlich wie möglich zu machen. Es war alles sehr primitiv eingerichtet.
Das blecherne Essgeschirr hing am Fußende der Betten. Es war gutes Wetter und alles ging herrlich für ein paar Tage. Der Ozean war ziemlich ruhig. Die Damen und Herren genossen die frische Seeluft und spazierten bis in die späte Nacht auf dem Deck und waren guten Mutes. In der dritten Nacht war hohe See und das Schiff fing an zu schaukeln, so dass sich unser Essgeschirr nicht mehr halten konnte. Es fiel herunter und spazierte und rollte mit einem fürchterlichen Lärm unter den Betten hin und her. Am vierten Morgen merkten wir, dass bei der Schraube etwas nicht in Ordnung war. Sie hielt auf sich zu drehen. Doch dann ging es doch noch weiter. Als der Tag graute, wurde es wieder still. Da machte der Kapitän kehrt und fuhr auf England zu. Das Wetter war ungünstig denn der Orkan, welcher von vorne kam, hielt das Schiff so zurück, dass wir mitunter kaum von der Stelle kamen. Das Schiff hatte nur noch eine Schraube und davon war die halbe verlorengegangen. In Plymouth angelangt wurde der Anker geworfen. Die Passagiere amüsierten sich während der Zeit mit Spiel und Tanz. Wir waren in einer Hinsicht ganz froh, mal wieder Land zu sehen. Die Seekrankheit hatte doch einigen Passagieren sehr mitgespielt. Nach einigen Stunden war der Schaden repariert und die Fahrt ging weiter. Wir verließen die von Bergen und Festungen umgebene Stadt Plymouth und waren in kurzer Zeit in Southampton, wo das Schiff ins Trockendock kam. Nun konnten wir das Schiff im Trocknen besichtigen, was sehenswert war. Dann wurde uns erlaubt, die Stadt zu besichtigen. Dann kauften wir Karten und schrieben an unsere Lieben daheim. Wir konnten aber keinen Briefkasten finden. Ein Passagier, der Englisch sprach, fragte einen Schuhputzer. Der zeigte auf einen dicken runden Pfahl, der bunt angestrichen war. Wir hatten gemeint, dass an dem Pfahl die Pferde angebunden würden. Unser Schiff wurde nun noch mit Fleisch, Wasser und Kohle beladen. Früh am anderen Morgen ging die Fahrt dann weiter. Es dauerte nicht lange, da tanzte das Schiff schon wieder nach dem Wunsch des Ozeans auf den Wellen. Da breitete sich die Seekrankheit wieder aus. Heinrich wurde so krank, dass er den Arzt haben musste. Das schlimmste war, dass man nicht essen konnte. In 21 Tagen habe ich nur dreimal Mittag gegessen. Kaffee mit trocken Schwarzbrot konnte man besser vertragen. Der Orkan wuchs aufs Höchste. Er war so stark, dass wir uns festbinden mussten. In einer Nacht kam noch ein Gewitter dazu. Am anderen Morgen konnten wir sehen, wie der Sturm gewütet hatte. Alles war voller Schaum und etliche Rettungsboote lagen zerbrochen auf dem Deck. Ein erfahrener Matrose behauptete, er hätte in seinem Leben zur See noch niemals so einen Sturm erlebt. Am 15. April 1885 gegen Abend nach dreiwöchentlicher Fahrt von Hamburg kamen wir dann vor New York an. Am nächsten Tag mussten (wir) alle Passagiere sich den Ärzten vorstellen. Dann ging es nach Hoboken zum Zoll. Mit uns wurden keine Umstände gemacht, denn wir hatten ja nur unseren Schlosskorb. Wir waren sehr hungrig und so gingen wir mit einigen Passagieren in Hubert’s Hotel und ließen uns ein Mittagessen geben. Es schmeckte uns vorzüglich. Auf dem Schiff gab es nur in den Kajüten gutes Essen. Auf dem Zwischendeck ließ es sehr zu wünschen übrig. In Laster Garden war ein junger Mann mit guten Sprachkenntnissen. Dieser sagte uns Bescheid, wann wir weiter reisen mussten. Wir fuhren mit einem kleinen Dampfer zum Bahnhof, von wo wir dann nach dem Westen abfuhren. An hübschen Holzhäusern vorbei fuhren wir dann aus New York. Die Gegend wurde bergig und steinig. An einigen Stellen lag noch Schnee. Bei Pittsburgh wurde die Landschaft schöner. In Lyons Iowa angelangt wurden wir von Vetter und Cousine Riebling abgeholt. Diese wohnten in Milwaukee. Onkel Riebling, Vaters Bruder, war Lehrer in Addison . Er war 1852 von Bredenbek bei Neumünster nach Amerika, Milwaukee ausgewandert. In Milwaukee blieben wir einige Tage. Dann reisten wir weiter zu unserem Onkel Röh. Dieser wohnte 10 deutsche Meilen entfernt auf dem Lande bei der Stadt Sabula. Vetter und Cousine holten uns mit einem Pferdefuhrwerk vom Bahnhof ab. Als der Vetter mich sah, schlug er die Hände überm Kopf zusammen und rief: „So ein kleines Mädchen und so ein langes Kleid. Das muss Mutter gleich kürzer machen.“ In Amerika war damals kurz Mode. Nun ging es mit dem Pferdefuhrwerk weiter nach Sabula. Die Fahrt war sehr beschwerlich. Die Landstraßen waren vom Schnee und Frühlingsregen aufgeweicht. Der Wagen ging dann auf der einen Seite und dann auf der anderen Seite bis an die Achsen in den
Schmutz, so dass man jede Minute dachte: „Nun wirst du runter geworfen ...“ So bekamen wir gleich eine Probe von den Landstraßen in Amerika. Wir waren froh, als wir bei Onkel Hans Röh und Marie Tante, geborene Blaas, heil ankamen. Nach drei Tagen nahm Bruder Heinrich bei einem Farmer Arbeit als zweiter Knecht an. Die Feldarbeit wurde ihm sehr schwer, weil er noch klein und nicht ausgewachsen war. Ich blieb noch längere Zeit bei Onkel und Tante und half Tante bei allen Arbeiten. Auch musste ich mal in der Nacht bei der Kuh sitzen, die kalben sollte. Aber Tante Marie war gut zu mir. Wenn wir mit der Arbeit fertig waren sagte Sie: „Nun lauf man und spiel mit den Kindern, du bist ja selbst noch ein Kind.“ Später nahm ich eine Stellung in Lyons im Staate Iowa nahe bei Clinton an. Das waren reiche Leute. Sie hatten einen Sohn, der verwöhnt und frech war. Er trieb es so schlimm, dass sie ihn in eine Erziehungsanstalt steckten. Um seine Eltern zu ärgern, ließ er sich in der Zöglingsuniform fotografieren und vergrößern. Das große Bild schickte er seinen Eltern. „Therese, Therese“, rief mit Tränen in den Augen die Mutter, „der Bub, der Bub – lassen Sie das Bild verschwinden.“ – In Joliet war ich lange bei einer Familie Faust. Die Tochter Ada wurde meine Freundin. Ich hatte es da sehr gut. Wir machten Schiffsfahrten auf dem Mississippi und tanzten auf einem Tanzboot. Es war eine fröhliche Zeit. (Mutter und Tochter Adlaide Faust besuchten Therese 19?? im März. Das war eine fröhliche Zeit. Sie kamen mit dem letzten Dampfschiff nach Amerika zurück. Dann brach der erste Weltkrieg aus. 1888 bekam ich einen Brief von meinen Eltern, dass drei von meinen Geschwistern in einer Woche an Diphtherie gestorben seien. Es wäre ihnen, als wenn sie fünf Kinder verloren hätten. Da taten mir meine Eltern leid und ich bereitete alles vor, sie zu besuchen. Als ich alles zurecht hatte, brach die Bartflechte aus, und das Reisen wurde verboten. Da bekam ich doch Heimweh. So kam alles anders. Ich suchte mir wieder eine Stelle bei Verwandten oder Bekannten in Pittsburgh, Cleveland , Milwakee und Clinton. Es war eine schöne Zeit. Ich habe viel gesehen und erlebt So habe ich neun schöne Jahre in Amerika verbracht. Februar 1894 fuhr ich nach Deutschland um meine Eltern zu besuchen. Nachmittags um 2 Uhr verließ ich auf dem Dampfschiff Pennsylvania Hoboken.
Mit voller Musik von der Schiffskapelle und lautem Jubel und Schwenken der Taschentücher von unendlich vielen Menschen an Land. Das Schiff fuhr ab – an der Freiheitsstatue vorbei. Bald war vom Land nichts mehr zu sehen. Obwohl das Wetter nicht so schön war, fühlten sich die Passagiere wohl. Die Pennsylvania war ja auch ein wunderbares Schiff. Diesmal konnte ich mir erlauben, Klasse zu fahren. Ich hatte die zweite Kajüte. Das Essen war exzellent und die Bedienung sehr gut. Die Pennsylvania fuhr auch schneller. In nur 13 Tagen war ich schon in Schleswig. Es war sehr schön wieder in der Heimat und bei den Eltern zu sein, Freunde und Bekannte wieder zu sehen. Ich musste viel erzählen. An einem Sonntag kam meine Freundin und wollte mich zum Tanzen nach Haddeby abholen. Ich hatte keine Lust. Ich hatte ja ganz was anderes erlebt Auf einem Tanzboot, das den Mississippi befuhr, hatte ich getanzt. Meine Freundin hat mich aber doch überredet. Als wir in Haddeby den Saal betraten, flüsterten die Leute: „Die Amerikanerin ist da.“ Hier beim Tanzen lernte ich einen flotten jungen Mann aus Eckernförde kennen. Er hieß Heinrich Tamms und war Schuhmachermeister. Er war 21 Jahre alt und ich 22 Jahre alt. Wir liebten uns und am 12.3.1895 wurde geheiratet. Später eröffneten wir in Schleswig, Friedrichstraße 57 a ein Schuhgeschäft, Heinrich empfahl sich als Schuhmachermeister und fertigte nach Maß orthopädische Stiefel an. 1897 wurde unser Sohn Heini geboren. Er starb leider im ersten Lebensjahr. 1898 im November wurde unsere Tochter Marga geboren.
1902 wurde unser Sohn Walter geboren, der leider auch im ersten Lebensjahr starb. 1908 wurde Annemarie geboren.
1912 wurde unser Sohn Fritze geboren, der leider im ersten Lebensjahr an Windpocken starb.
Therese und Heinrich wurden 92 Jahre alt.
Am 22. Januar 1962 starb Heinrich, im Januar 1963 starb Therese.
Meine Geschwister
1. Heinrich August Riebling – 28. Juni 1868 in Wolfskrug geboren
2. Heinrich Friedrich August – 10. Juli 1869 in Wolfskrug geboren
3. Therese Marie Margarete – 3. Juni 1871 in Wolfskrug geboren
4. Rosa Auguste Henriette – 10. Juli 1872 in Wolfskrug geboren
5. Alwine Anna Karline – 24. Januar 1875 in Wolfskrug geboren
6. Ludwig August Rudolf – 24. Juli 1876 in Wolfskrug geboren
7. Marie Katharine Matilde – 20. Mai 1878 in Wolfskrug geboren
8. Margarethe Dowathe Auguste - 9. Juni 1879 in Wolfskrug geboren
9. Agnes Luise Sophie – 10. Juli 1881 in Haddeby geboren
10. Karl Ferdinand Johannes – 7. Januar1883 in Haddeby geboren
An Diphtherie starben:
Margarethe Dowathe – geb. 1879, gest. 1888
Ludwig August – geb. 1876, gest. 1888
Agnes Luise – geb. 1881, gest. 1888
Bruder Heinrich
Mein Bruder Heinrich kam erst am 14. April 1901 auf Besuch aus Amerika nach Schleswig. Man hatte ihn benachrichtigt, dass unser Vater schwer erkrankt war. Bei Heinrichs Ankunft fand er Vater doch wieder gesund vor. Heinrich will aber zurück nach Amerika. Er sagte: „Hab ich auch nicht viel Geld; hab ich doch die Welt gesehen. Das hat mich sehr interessiert. Auch habe ich nun das Recht erworben, 160 Acker Regierungsland unentgeltlich anzulegen. Ich hoffe, dass ich noch etwas finden kann, wo es sich lohnt neu anzufangen.“ Am 13. Oktober 1901 fuhr Heinrich mit dem Dampfschiff Pennsylvania nach Amerika zurück. 1902 ließ Heinrich seine Freundin aus Rendsburg nachkommen. Sie heirateten und bekamen 2 Kinder. Heinrich wurde Besitzer einer Erz-Mühlet (Mine). Er arbeitete im Laboratorium, um Erz und Gold zu schmelzen.
1880 wurde Vater Zweitlehrer in Busdorf. Heinrich, Therese, Rosa, Johann und Alwine besuchten die Busdorfer Schule. Karl besuchte die Schule in Schleswig. Er wurde später Zahlmeister und ging nach Kamerun, die deutsche Kolonie in Afrika.
Wir wohnten auf dem Riesberg bei Schleswig in dem Haus, wo später (1900) die Eltern von General Ramcke einzogen. Wir zogen in das Chausseehaus bei Haddeby.
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